Harmonie trifft auf Humor

Kulturfestival trotz Corona: Die Jüdische Woche in Dresden.

Von Tom Vörös
Die tschechische Band The Flying Rabbi lässt das jüdische Osteuropa anklingen.
Die tschechische Band The Flying Rabbi lässt das jüdische Osteuropa anklingen. © PR

Ein wenig Galgenhumor kann in der Krise durchaus hilfreich sein. Vor allem bei den kleinen kulturellen Wundern, die man trotz Corona zurzeit erleben darf. „Zay gezunt!“ lautet das Motto der diesjährigen Jüdischen Woche in Dresden. Dieser jiddische Gruß beschreibt den Wunsch nach Wohlergehen. Doch er steht ebenso für die ironische Bemerkung „Na dann mal viel Glück dabei!“ Ein bisschen fatalistischer Humor macht das Unerträgliche eben ein bisschen erträglicher. Die Veransatlter der Jüdischen Woche, allen voran die neue künstlerische Leiterin Avery Gosfield möchte den BesucherInnen eine jüdische Welt zeigen, die humorvoll, nachdenklich, kritisch, aber auch unterhaltend und vor allem hoffnungsvoll wirkt.

Das bereits lange im Voraus geplante Thema des Festivals nennt sich in diesem Jahr: „Britisches Judentum – Judentum in Großbritannien“. Dazu geben Daniel Kahn und Christian Dawid am 1. November ein Eröffnungskonzert im Dresdner Zentralwerk. Daniel Kahn, der „Yiddish troubadour“, kommt mit seinem langjährigen Kollegen, den legendären Berliner Klezmer-Instrumentalisten Christian Dawid gestalten einen intimen Abend mit alten und neuen Songs, über und zwischen den Grenzen aus Yiddisch, Englisch, Russisch und Deutsch. Übersetzt und mit Videoprojektionen werden die Songs von der Berliner Künstlerin Yeva Lapsker.

Daniel Kahn & The Painted Bird eröffnen das Festival am 1. November im Dresdner Zentralwerk.
Daniel Kahn & The Painted Bird eröffnen das Festival am 1. November im Dresdner Zentralwerk. © PR

Festival mit vielen Gesichtern

Tags darauf steht der Netflix-Überraschungserfolg „Unorthodox“ im Mittelpunkt. Die vierteilige Miniserie zeigt den Ausbruch der jungen Esty aus einer hermetischen Welt des orthodoxen New Yorker Judentums und ihre Übersiedlung nach Berlin. Gemeinsam mit der Choreographin Yeva Lapsker, der Kulturmanagerin Valentina Marcenaro und Dr. Joachim Klose von der sächsischen Konrad-Adenauer-Stiftung stellen wir die Frage, „Was uns Halt und Orientierung gibt?“. Musikalisch begleitet wird der Abend von Daniel Kahn und Christian Dawid (beide haben ebenfalls einen Cameo-Auftritt in der Serie). Die Moderation übernimmt Johanna Hohaus.

Weiter geht es am 3. November mit dem Trio „Givol, Karoyan & Hirsch“, unter dem Titel „Kurt, Weill er mehr ist…“, die mit Cello, Klavier und Gesang die Musik von Kurt Weill auferstehen lassen. In seinem runden Geburtsjahr zeigen die drei KünstlerInnen einen Studenten von Humperdinck und Busoni, der wie selbstverständlich zwischen Synagoge, Bierkeller, Ku’damm und Broadway lebte. Dass so eine schillernde Persönlichkeit im Dritten Reich nicht willkommen war, kann man sich denken...

Am frühen Mittwochabend laden wir Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren in Societaetstheater: In „Das Kind von Noah“ entspinnt sich zwischen dem Flüchtlingskind Josef und Pfarrer Bims eine spannende Diskussion über Werte und Verantwortung in der Zeit der Judenverfolgung - und darüber hinaus.

Am 5. November verzaubern die MusikerInnen von „The Flying Rabbi“ mit Melodien des jüdischen Osteuropas. Die Interpretationen der fünfköpfigen tschechischen Band sind zeitlos und originell. Sie reichen von tanzbarem Klezmer bis zu traditioneller Shtetlmusik – immer voller unerwarteter Einflüsse und Inspirationen. Ein jiddischer Liederabend, der zeitgenössische Poesie mit den musikalischen Traditionen der Gegenwart verbindet.

Die im letzten Jahr neu aufgelegte Jüdische Ball wird in diesem Jahr wohl etwas anders verlaufen. Erwartet werden jüdische und arabische TanzmeisterInnen. Die musikalische Begleitung liefern das Klezmer-Quartett um Craig Judelman (USA), featuring Yiddish-Song-Star, Sasha Lurje, und die Dresdner Lokalmatadore, La Banda Communale.
Für alle Kinder und Familien beginnt am folgenden Sonntagnachmittag eine spannende Schnipseljagd durch die Dresdner Altstadt, bevor dann mit Musik, Tanz und Spiel in der Alten Festungsmauer der Mischpoketag ausklingt.

Eingerahmt wird die Woche von einem Theaterprolog zum 100. Geburtstag Paul Celans (rimon productions / Britta Shulamit Jakobi) und der Screwball-Komödie „Kiss Me Kosher“ im Programmkino Ost.

Neue Impulse aus Amerika

Zu Beginn des Jahres hat Avery Gosfield die Künstlerische Leitung der Jüdischen Woche Dresden übernommen. Sie tritt damit die Nachfolge von Sarah Zinn an, die die Leitung auf eigenen Wunsch Ende 2019 abgegeben hat. Als neue Leiterin möchte Avery Gosfield an Sarah Zinns Arbeit anknüpfen und mit einer verstärkten Bildungs- und Vermittlungsarbeit sowie der gewohnten Auswahl traditioneller und zeitgenössischer – am jüdischen Leben orientierter – Kunst das Dresdner Publikum begeistern.

Avery Gosfield kommt aus einer jüdisch-amerikanischen Künstlerfamilie und wuchs in Philadelphia auf. Sie studierte Musik am Oberlin Conservatory of Music in Ohio, setzte ihr Studium in Amsterdam fort und zog 1997 nach Italien. 2011 wurde Gosfield zum Yiddish Summer Weimar eingeladen. „Das katapultierte mich in die Klezmer-Welt“, erinnert sie sich. „Es hat mein Leben verändert und war, als wäre ich nach Hause gekommen.“
Seitdem hat sie als Künstlerin, Wissenschaftlerin, Ensembleleiterin, Arrangeurin oder Pädagogin für Dutzende europäische Radiosender Aufnahmen eingespielt, ist auf zahlreichen Festivals für alte und jüdische Musik in Europa und Nordamerika aufgetreten, hielt Vorträge an Universitäten (Oxford, Uppsala, Antwerpen, University of Pennsylvania etc.) und gab Meisterkurse auf fünf Kontinenten.

Jüdische Woche Dresden

1. bis 8. November, Hatikva, Zentralwerk & andere Orte in Dresden;

Programm & Tickets: www.juedische-woche-dresden.de