Von angelegten Ohren und großen Pupillen

Am Mittwochabend fand der zweite Vortrag der Erfolgsmacher-Reihe des SPRECHERHAUS präsentiert von der WIRTSCHAFT in Sachsen und der DDV Mediengruppe im Ostra-Dome Dresden statt. Gesichtsleser Eric Standop referierte über Gesichtsmerkmale und deren Bedeutung. Und so war’s …

Was haben Ohren und Augen gemeinsam? - Man kann ihre Persönlichkeit daraus lesen.
Was haben Ohren und Augen gemeinsam? - Man kann Ihre Persönlichkeit daraus lesen. © DDV Media/schmidt.fm

„Ihr seid alle Gesichtsleser!“ Dieser Ausruf viel am Mittwochabend so oft, dass man doch glatt anfing zu glauben, man verfüge auch über Eric Standops Talent. Mit viel Enthusiasmus, Witz und interessanten Fakten erzählte der Vortragende dem Publikum von seiner Passion und Berufung: dem Gesichtslesen. Die Geschichte des Gesichtslesen und seinen Weg dorthin hielt er recht kurz. Schließlich „wollen wir heute was lernen“, so Standop. Wieso scheint man nach dem Vortrag dann doch nur bedingt etwas Neues mit nach Hause zu nehmen? Dazu beginnen wir mal von vorn. 

Der Abend fängt vielversprechend an. Der Ostra-Dome in Dresden überzeugt mit einer eleganten, industriellen und modernen Einrichtung. Im Eingangsbereich wartet eine gut gefüllte Bar mit Getränken und Snacks, die man an den hohen weißen Tischen zu sich nehmen kann, während man in das warme Licht der Teelichter in den glamourösen Kerzenleuchtern schaut. Im Hintergrund läuft dazu entspannende Lounge-Musik, die Stimmung scheint gut zu sein. Das ein oder andere Weinglas wird bestellt, angeregte Gespräche unter den Menschentrauben zeugen von Vorfreude und gelassenen Persönlichkeiten. 

In der Vortragsreihe „Erfolgsmacher“, präsentiert von der WIRTSCHAFT in Sachsen und der DDV Mediengruppe, bestehend aus insgesamt 8 Vorträgen, können die Besucher neuen Input zu vielen Themen der Persönlichkeitsentwicklung erhalten. So zum Beispiel zu Schlagfertigkeit, Entscheidungskraft oder Menschenkenntnis. In je 90-minütigen Vorträgen teilen Experten des jeweiligen Gebietes ihr Wissen. Eric Standop war der zweite Referent der Reihe. Eric ist hauptberuflicher Gesichtsleser mit über 15 Jahren Erfahrung. Er ist der einzige Lehrmeister weltweit, der verschiedene Methoden des Gesichtslesen verknüpft. Dabei kann er nicht nur gesundheitliche Probleme eines Menschen aus dem Gesicht lesen, sondern auch Interessen, Talente, Stärken und Schwächen. Alles nach dem Motto „Zeig‘ mir dein Gesicht und ich sage dir, wer du bist“.

Zum Einlass strömen die Menschen in den Ostra-Dome. Dieser wirkt wie ein elegantes, schwarzes Zirkuszelt, in dem eine kleine Bühne aufgebaut wurde. Die Wände sind aus dunklen Planen zusammengespannt und kreieren so eine einzigartige Raumatmosphäre, bläuliches Licht verstärkt den Effekt. Die Location wurde mit viel Liebe zum Detail hergerichtet. 

Nach einer kurzen Einführung und Vorstellung Eric Standops und Danksagung an die Sponsoren (Deutsche Bank und die Sparkassen-Versicherung Sachsen) durch Denni Klein, Geschäftsführer der Sächsischen Zeitung, beginnt der Vortrag. Eric steigt spielerisch ein und berichtet mit zahlreichen Anekdoten über das Gesichtslesen. Einige Witze werden gemacht, das Publikum ist sichtlich amüsiert. Standop ist kompetent, das scheint niemand im Raum in Frage zu stellen. Seine Schlussfolgerungen beruhen auf der Medizin, so kann er auf viele gesundheitliche Probleme schließen, wenn er einem Menschen in das Gesicht sieht. Augenringe, Geschwollene Lippen, Verfärbungen im Gesicht – all das sind Indizien für unterschiedliche Erkrankungen. Doch Standop betont wiederholt, dass es heute Abend nicht viel um die Gesundheit gehen soll, denn „wir wollen ja alle was lernen“. Also berichtet er darüber, was der Unterschied zwischen einem echten und einem „Heidi-Klum“-Lachen ist (offensichtlich zeigt man bei einem echten Lachen Zahnfleisch), woran man unterschiedliche Arten von Lügnern erkennen kann und was die Position der Hände im Gesicht bedeutet. Für beinahe alles hat er eine kurze, verständliche wissenschaftliche Erklärung parat. 

Standop scheint den Vergleich von Gesichtslesen mit Esoterik gar nicht zu mögen. Die Meinung, dabei handele es sich um unwissenschaftlichen Humbug, habe sich allerdings in den letzten zehn Jahren drastisch geändert. Wenn er damals von der Bedeutung der rechten und linken Gesichtshälfte gesprochen habe (die rechte steht für pragmatisches, analytisches Denken, die linke eher für Gefühle und Emotionen), dann habe man ihn auf einem Neurologen-Kongress angesehen, als wolle man sagen: “Ja, genau. Und du reitest jetzt auf deinem Einhorn nach Hause.“ Heutzutage ist die unterschiedliche Arbeitsweise der linken und rechten Gehirnhälfte bewiesen und immer weniger Zweifel gibt es an Standops Analysen. 

So erklärt er auch, was verschiedene Pupillengrößen bedeuten. Kurz: Menschen mit kleinen Pupillen sind faktenorientierte Kaffeetrinker und „Großpupiller“ gelten als gefühlsbetonte Naschkatzen. Auch hinter dem Sprichwort „Es faustdick hinter den Ohren zu haben“ steckt mehr, als man denkt. Menschen, die eher angelegte Ohren haben, scheinen sich für andere zunehmend aufzuopfern, währen abstehende Ohren einen Rebellen auszeichnen.

Es scheint der spannende Teil des Vortrags loszugehen: das Schließen von Gesichtsmerkmalen auf Talente, Eigenschaften, Stärken und Schwächen. Oder doch nicht? Standop beginnt über die Bedeutung des Gesichtslesen zu reden: „Was ich hier oben erzähle, war lange Zeit sehr wichtig in der Welt.“ Damit verweist er auf eine Zeit vor der Sprache, erwähnt was Aristoteles und Konfuzius mit dem Gesichtslesen zu tun haben. Anstatt mehr Input dazu zu geben, wie genau er auf die Persönlichkeit eines Menschen durch sein Gesicht schließen kann, zeigt er auf, dass viele Social-Media-Plattformen sich genau dies zu Nutze machen, indem Sie unser Gesicht durch Fotos und Gesichtserkennung an unseren Smartphones analysieren. Er erzählt dem Publikum, was Trumps Libido und seine geschwollenen, weißen Unterlider gemeinsam haben, erläutert anschaulich, wie Comiczeichner verschiedene Augen- und Mundformen nutzen, um Emotionen zu transportieren. Immerhin seien „Mund und Augen das Allerwichtigste im Gesicht“, der Rest sei vollkommen egal, wenn es darum geht, einen Menschen persönlich einzuschätzen. 

Nach einer kurzen Reise zu George Clooney und seinen Stirnfalten scheint Standop die Zeit davonzurennen. Er überspringt einen Teil des Vortrags und obwohl er betonte, wie wichtig Augen und Mund seien, geht er auf die Lippen nur kurz ein, stattdessen gibt er nochmal witzige Fakten zum Thema „Hände im Gesicht“, da bei diesem Thema so viel Resonanz vom Publikum kam. Doch ist das noch Gesichtslesen oder schon Körpersprache? Auch wenn Standop mehrfach hervorhebt, dass das eine nicht das andere sei, scheinen die Grenzen im Vortrag zu verschwimmen. Den Vortrag schließt er mit den Worten: „Wenn ihr in nächster Zeit mal jemanden trefft, hoffe ich, dass ihr eher fragt ‚Wer bist du?‘ anstatt ‚Was machst du?‘. Wenn man mich das fragt, würde ich antworten: ‚Ich bin der Mann, der gerne auf der Bühne steht, aber eigentlich schüchtern ist.‘“

Was ist also nun das Fazit des Abends? 

Zunächst einmal: Für alle, die sich für das Thema interessieren ist ein Besuch durchaus zu empfehlen. Doch das Publikum und das Motto unter denen die Vorträge stattfinden, scheinen in Kontrast zu stehen. Während die Vortragsreihe für den „beruflichen und privaten Vorsprung“ gedacht ist, lässt sich das Publikum vor allem gern unterhalten. Das scheint Standop zu wissen und legt seinen Fokus auf die witzigen Dinge, baut Scherze und unterhaltsame Demonstrationen ein. Die wissenschaftliche Fundierung lässt er sich jedoch nicht nehmen, er nennt sie zwar kurz, aber verständlich und einleuchtend. Es gibt kaum Grund, an seiner Kompetenz zu zweifeln. Sympathisch und nahbar tritt er auf, ist ohne Frage ein guter Redner. Doch genau das scheint die inhaltlichen Lücken zu übertönen. Das spannende am Gesichtslesen ist doch, wie man verschiedene Eigenschaften eines Menschen daraus entnehmen kann. Dafür ist nur kurz Zeit und auf Talente wird gar nicht eingegangen. Die Zeit rennt Standop am Ende so sehr davon, dass er Teile überspringen muss. Stattdessen dreht sich viel um Gesundheit, obwohl Standop darauf eigentlich nicht viel eingehen wollte. Die Frage ist doch, ob das Wissen über Trumps Libido, Anekdoten über eine 89-jährige Frau, die wissen will, wer sie ist und Kritik an Social-Media jemanden persönlich und beruflich weiterbringen. Unterhaltend ist es jedoch allemal. Und auch wenn das Publikum eher die amüsanten Aspekte des Gesichtslesen gelernt hat, ist das kein Problem. Denn wie Standop selbst sagt, sind wir ja alle schon Gesichtsleser.

Vielleicht interessiert Sie eines der nächsten Themen, zum Beispiel der folgende Vortrag zum Thema Mentalkraft von Thomas Baschab. Wenn sie zugleich neue Fakten lernen und unterhalten werden möchten, ist Erfolgsmacher eine Veranstaltungsreihe, die genau das Richtige für Sie sein könnte.