Besuch bei... der beliebten Dresdner Künstlerin Anna Mateur.

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

Von Tom Vörös
Anna Mateur hat gerne verschiedene Sichtweisen auf die Dinge im Blick.
Anna Mateur hat gerne verschiedene Sichtweisen auf die Dinge im Blick. © David Campesino / PR

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Mitte Dezember 2020: Thomas Hellmich von der Dresdner Reggae-Band Yellow Umbrella.

Selbstironie ist eine der Basiskompetenzen von Anna Mateur.
Selbstironie ist eine der Basiskompetenzen von Anna Mateur. © David Campesino / PR

Liebe Anna Mateur, wie verbringen Sie Ihr Weihnachtsfest?
Schauen wir mal was die Auflagen zulassen. Vermutlich im kleinsten Kreis. Meine Eltern meinten, dass man am 2. März auch ein schönes Weihnachten feiern könnte.

Ist Humor jetzt wichtiger denn je? Auch im privaten Bereich?
Humor ist eine Weltsicht, eine philosophische Schule. Es bedeutet für mich Weichbleiben in harten Zeiten. Humor bedeutet, die Dinge mit Abstand zu betrachten. Sicher hat jeder eine andere Humorgrenze. Man muss auch unterscheiden zwischen Zynismus, Sarkasmus und Humor. Ich bin in einem kinderreichen Haushalt mit jungen, wilden Eltern und einer etikettehütenden, strengliebevollen Großmama aufgewachsen. Bei uns wurde sehr viel gelacht. Humor half bei Trennung, diversen Diagnosen und verzweifelten Freunden. Wenn man Erlebnisse teilen kann, ist das sehr hilfreich. Humor hilft Überleben. Vor allem in Krisenzeiten. Ich denke auch an den italienischen Film mit Roberto Benigni: „Das Leben ist schön“.

Wie kommen Sie persönlich mit der Kontaktbeschränkung klar?
Gut. Ich kann gut für mich sein. Zudem macht mein Mann Home Office und der Hund muss auch raus. Und dann habe ich viele Dinge, die mich interessieren. Zudem ist es von Vorteil wenn man einen Balkon hat. Kaffeekränzchen und Neffnschubsen vermisse ich. Eltern sehe ich aufm Balkon. Seufz.

Finden Sie das alles gerechtfertigt?
Ja. Ich beobachte und wäge ab. Es geht ja nicht darum, dass alle Menschen gleichschwer krank werden. Aber die Situation auf den Intensivstation abzufangen und die Kurve flachzuhalten finde ich wichtig. Demokratie bedeutet Komplexität und immer wieder abwägen dessen, was denn gerechtfertigt ist. Da es sich bei einem Staat um einen großen Apparat mit Millionen von Menschen und Befindlichkeiten handelt, dauert dies immer etwas länger. Sicher kann man da auch genug Ungerechtigkeiten finden. Wenn etwas ungerecht ist werden sich Menschen melden und es muss zur Sprache kommen.
Die Veranstaltungsbranche ... das würde den Rahmen sprengen. So viele Neulinge, denen die Chance genommen wird Fuß zu fassen. Theater, die aufgerüstet haben an Belüftungssystemen und die jetzt wieder geschlossen wurden. Wer spielt das Geld ein? Die Servicekräfte, die Agenturen, die Techniker, die Caterer, die ganzen Händler in Sachsen, deren größter Verdienst im Dezember eingefahren wird. Es ist wirklich hart! Und ich hoffe, dass unser Sozialstaat das alles abfedern kann. Ich hoffe es sehr!

Gibt es Corona-Fälle im Umfeld?
Ja, leider. Es werden immer mehr. Oder wie sagt man gern „Die Einschläge rücken näher.“

Wie nutzen Sie die freie Zeit?
Mit Filmen, Lesen, Tutorials. Laubsäge. Dekupiersäge. Hundewanderungen.

Gibt es Beistand von Ihren Fans?
Ich sehe mich nicht als Angehimmelte oder gar Fanbetreuerin. Ich poste ab und an eine Zeichnung oder n Hundebild in den sozialen Medien. Aber ich stelle sowas nicht regelmäßig ein. Ich habe Phasen, da teile ich mich gern mit und manchmal wird’s halt still. Aber das ist menschlich.

Wie gehen Sie kreativ mit der Pandemie um – inszenieren, ignorieren?
Kreative ignorieren nicht. Sie schöpfen aus dem, was ist, immer etwas Neues. Aber man kann nicht alles an Themen nehmen und direkt wieder „raushauen“. Es braucht verschiedene Phasen. Momentan bin ich in einer Phase des Beobachtens und Aufnehmens. Aber sicher rumort es gewaltig im Hirn und auch im Bauch.

Mit welchen Überraschungen darf man in nächster Zeit noch rechnen?
Überraschungen sind unberechenbar, sonst wären es keine Überraschungen. Also.

Was erhoffen Sie sich von 2021?
Ich wünsche mir, dass wir gut durch diese Krise kommen. Dass die Wirtschaft und die Kultur das gut durchsteht und dass wir zwischenmenschlich zusammenwachsen. Dass die Gräben der Kommunikation sich wieder schließen und wir weiterhin im Austausch bleiben, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Um es mit Goethe zu halten: „Ältestes bewahrt mit Treue, freundlich aufgefasstes Neue.“

Was macht Anna Mateur im Winter?
Bohren. Drehen. Falzen. Aufnehmen. Lesen. Malen. Zeichnen. Schneiden. Tüfteln. Fräsen. Filzen. Wandern. Kochen. Geschenke verschicken. Dinge ausdenken. Hundeohren massieren. Rumschmusen. Telefonieren. Aus der Ferne winken. Träumen in der Badewanne.

Gespräch: Tom Vörös

www.anna-mateur.de

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Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

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Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise