„Ich glaube nicht, dass dieser Virus verschwinden wird“

Schlagerstar Howard Carpendale trotzt dem Lockdown mit einem neuen Album und Fernsehauftritten, rechnet aber mit einem sehr ruhigen 75. Geburtstag.

Von Tom Vörös
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Howard Carpendale lässt das Singen nicht – vor allem für Fernsehzuschauer ist der gebürtige Südafrikaner präsent wie eh und je. © Ove Arscholl

Mit Hits wie „Hello Again“ schrieb der Sänger Howard Carpendale deutsche Schlager-Geschichte. Mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra nahm er zwei Alben auf. Seine „Die Show meines Lebens“-Tour musste er auf Ende 2021 verschieben. „Howie“ denkt zwar wegen Corona noch nicht ans Aufhören, aber er blickt im Augusto-Interview dieser Tage schon ein wenig auf seine lange Karriere zurück.

Herr Carpendale, wie geht es Ihnen zurzeit?
Gut. Ich liebe meinen Beruf und freue mich sehr, dass wir das Album in diesen Zeiten produzieren konnten. Aber die Bühne fehlt mir natürlich schon lange.

Am 14. Januar feiern Sie Ihren 75. Geburtstag. Glauben Sie noch an eine halbwegs „normale“ Feier?
Ich hatte jetzt eh nicht vor eine große Feier zu machen. Das ist das kleinste Problem für mich zurzeit. Wie alle paar Jahre werde ich wahrscheinlich mit meiner Familie essen gehen. Wissen Sie, ich stehe privat nicht so gerne im Mittelpunkt, sondern eher in meinem Beruf.

Der Lauf der Dinge: Howard Carpendale macht einen auf "Beatles", auf dem berühmten Zebra-Streifen bei den Londoner Abbey Road Studios.
Der Lauf der Dinge: Howard Carpendale macht einen auf "Beatles", auf dem berühmten Zebra-Streifen bei den Londoner Abbey Road Studios. © MumpiKuenster / Monsterpics

Apropos Beruf, junge Künstler haben wegen Corona kaum Chancen auf eine Karriere. Wie ist Ihre Einschätzung?
Es ist für die gesamte Unterhaltungsbranche zurzeit eine Katastrophe. Es gibt manche, die sagen, die ganze Branche wird über kurz oder lang zugrunde gehen, wenn das Ganze noch länger so weitergeht. Wir müssen einen Weg finden, bis spätestens zum Sommer, dass Unterhaltung wieder stattfinden kann. Es gibt Tausende von Menschen, die in dieser Branche nicht so gut verdient haben, die zurzeit in einer völlig ausweglosen Situation sind.

Muss man also als junger Künstler umdenken, statt den Traum zu leben?
Ich glaube die alte Welt, die wir gekannt haben, und was wir alle für normal gehalten haben, diese Welt wird ganz schnell neue Wege gehen. Es ist nicht klar, ob es jemals wieder soweit kommen wird, dass 10.000 Menschen eine Konzertarena füllen. Ich glaube auch nicht, dass dieser Virus irgendwann verschwinden wird. Er wird wahrscheinlich, vielleicht in abgeschwächter Form, weiter ein Teil unseres Lebens bleiben. Wir müssen einfach abwarten. Ich glaube, es ist diese Ungewissheit, die die Menschen bedrückt. Wenn man weiß, so eine Sache geht irgendwann auch mal zu Ende, dann kann man sich drauf einstellen. Aber wir haben ja keine Ahnung wie es weitergeht und wie effektiv der Impfstoff sein wird. Alles Fragen, die man noch nicht beantworten kann.

Sind Sie dieser Tage froh, in einem Land wie Deutschland zu leben?
Ja, ich bin momentan schon ein bisschen stolz darauf, Deutscher zu sein, wenn man sieht was beispielsweise in Amerika passiert. Sorgen mache ich mir eher um die Pandemie-Müdigkeit, dass die Leute keine Lust mehr auf neue Beschränkungen haben. Aber wir müssen uns täglich erinnern und uns sagen: Doch, es muss weitergehen!

Ans Aufhören denken Sie sicher noch nicht, oder?
Es ist sehr schwer im Moment zu planen. Es geht ja nicht nur um uns Künstler. Ich meine, ich kann morgen wieder auf eine Bühne gehen, aber die Leute können nicht dazukommen. Wir sind da also ziemlich machtlos. Und es gibt zurzeit auch keine Lösung, die vernünftig wäre. Es gibt keinen Kompromiss wie beim Fußball. Die Veranstalter sind auf Zuschauer angewiesen, so einfach ist die Sache.

Wären Live-Stream-Konzerte im Internet eine Option für Sie?
Ich wäre zwar bereit dazu, würde aber wohl schnell merken, dass es das auch nicht ist, ohne Kontakt zu den Menschen. Das kann nicht die Zukunft der Live-Musikbranche sein.

Was haben Sie für Erinnerungen an das Dresdner Publikum?
Mein allererstes Konzert in Dresden war ungewöhnlich. Vor ungefähr 30 Jahren, in der ersten Hälfte des Konzertes sagte mir der Veranstalter: Nein, nein, keine Sorge, die Dresdner hören ganz genau zu, die emotionalen Ausbrüche kommen erst später. Daran habe ich mich inzwischen ein bisschen gewöhnt, dass die Leute hier auch ganz gerne auf die Texte hören. Am Ende sind sie aber ganz genau so begeisterungsfähig wie anderswo. Ich bin nach wie vor beeindruckt, wenn ich nach Dresden komme, wie schön diese Stadt ist, ich bin gerne da.

"Ich habe alles richtig gemacht." - Würden Sie diesen Satz auf dem Sterbebett sagen können?
Unsere Konzerte sind immer sehr gut besucht. Daher denke ich, ich muss etwas richtig gemacht haben in meinem Leben. Ich kann nicht sagen, ich hätte alles genauso gemacht, gerade in der Anfangszeit in Deutschland habe ich erstmal ein paar Lieder gesungen, die andere für mich komponiert haben. Die haben nicht so gut zu mir gepasst. Aber 1974 habe ich meine Karriere selbst in die Hand genommen und bin sehr froh, dass ich das gemacht habe, denn ich glaube, das führt auch dazu, dass es wesentlich authentischer wirkt, wenn ein Künstler sich selber komponiert und produziert. Ja, ich glaube ich kann zurückblicken und sagen: Wer hat schon das Glück 50 Jahre zu singen und im letzten Teil seiner Karriere Aufnahmen mit einem Orchester wie dem Royal Philharmonic Orchestra zu machen. Ich hoffe sehr, dass das neue Album möglichst viele Menschen hören. Denn wir alle wissen ja, die Plattenbranche ist heute ein ganz andere als noch vor zehn Jahren. Man muss heute viel mehr Interviews machen und in Talkshows und Fernsehsendungen auftreten. Früher hat man einen Auftritt gemacht und da haben 15 Millionen Menschen zugeschaut. Das ist jetzt eine ganz andere Arbeit, aber ich scheue diese Arbeit nicht, denn dieses Album ist es mir wert.

War die gemeinsame Sache mit dem Royal Philharmonic Orchestra ein Traum von Ihnen?
Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, dass so etwas überhaupt einmal passieren würde. Vor allem, als ich die Diskografie des Orchesters gesehen haben und wer alles schon in diesem Studio eingesungen hat. Ich bin sehr gespannt, wie diese neue, überraschende Version von „Das schöne Mädchen von Seite 1“ beim Publikum ankommt. Ich bin sehr froh, dass wir diese Version des circa 50 Jahre alten Liedes fürs Fernsehen ausgesucht haben.

Auf Ihrem neuen Album singen Sie auch über Ihre Heimat Südafrika. Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal dort?
Wir wollten ein Video in Südafrika drehen, bei meinem Geburtsort und meiner alten Schule. In Südafrika war ich das letzte Mal vor neun Jahren, ich habe ja keine Familie mehr dort. Aber wegen Corona hat das Ganze leider nicht geklappt, schade.

Was man sich heute kaum vorstellen kann – früher haben Sie mal Elvis oder die Rolling Stones gesungen. Erinnern Sie sich?
Das war damals in Südafrika. Das Wort Schlager gab es dort nicht. Wir haben jedes Wochenende auf Partys gespielt, viele Coverversionen, ob Elvis oder die Rolling Stones. Diese Art von Musik liebe ich nach wie vor.

Aber ein bisschen anders als beim Schlager muss man ja schon singen, oder?
Ich rede ja nicht von Heavy Metal. Wir haben zum Beispiel „Satisfaction“ von den Rolling Stones gespielt. Das hat ganz gut geklappt. Ich habe im Laufe der Zeit immer mal wieder Coverversionen, zum Beispiel von den Bee Gees gesungen. Und das in einer Zeit, wo es in Deutschland nicht gerade populär war, Lieder von anderen Künstlern zu singen. Gelernt aus dieser Zeit habe ich vor allem, dass sich ein Künstler in seiner Karriere immer weiterentwickeln muss und nicht immer das Gleiche machen sollte. Ich behaupte mal, das ist auch einer der Gründe, warum ich nach 50 Jahren immer noch singen darf.

Das neue Album von Howard Carpendale vereint das Beste seiner Karriere mit dem renommierten Royal Philharmonic Orchestra.
Das neue Album von Howard Carpendale vereint das Beste seiner Karriere mit dem renommierten Royal Philharmonic Orchestra. © PR

Howard Carpendale – Symphonie meines Lebens 2

Auf dem zweiten Album mit dem Royal Philharmonic Orchestra, erscheinen auf Electrola (Universal Music), finden sich neu aufgelegte Uralt-Hits wie „Das schöne Mädchen von Seite 1“ und „Da nahm er seine Gitarre“.