Ein Leben zwischen Schock und Chance

Bands im Corona-Taumel: Valeska Kunath lässt tief blicken in den Musikerinnen-Alltag - aus einem Künstlerleben zwischen Hoffen und Bangen.

Die neue Band Lesly's Dynamite wollte gerade durchstarten, als das Corona-Virus Mitte März jegliche Pläne durchkreuzte.
Die neue Band Lesly's Dynamite wollte gerade durchstarten, als das Corona-Virus Mitte März jegliche Pläne durchkreuzte. © PR

Valeska Kunath ist eine etablierte Dresdner Sängerin, singt zum Beispiel als Frontdame bei der sehr gefragten Johnny Cash-Tributeband The Cashbags. Zu Beginn des Jahres wollte sie mit ihrer zweiten Band Lesly's Dynamite durchstarten. Dann kam Corona und eine lange Zeit der Ungewissheit für die Profi-Musikerin. Nun erzählen Valeska, der Saxofonist Markus Pötschke und Gitarrist Peter Panther von ihrer langen Zeit in "Künstler-Quarantäne" und geben im Augusto-Interview Einblicke in die derzeitige Gemütslage und sprechen vage von Hoffnung.

Valeska & Lesly's Dynamite, wie geht’s Euch zurzeit als Künstler?
Valeska: Eigentlich ganz gut. Nur diese Ungewissheit, wann man wieder auf die Bühne und Geld verdienen darf, die schlägt mir dann doch ab und an sehr aufs Gemüt.
Markus: Gerade ganz okay. Die Bands haben sich sortiert, man beginnt die Situation so zu nehmen, wie sie ist Vorbereitung auf kommende Gigs laufen, Projekte gewinnen deutlich mehr an Tiefe, da nun die Zeit für genutzt werden kann. Die ersten kleinen Konzerte finden so langsam wieder statt. Auch der Zuspruch von den wenigen ersten Leuten, die man mit den wenigen ersten Konzerten erreichen konnte, wirkt deutlich motivierend und bestätigend.             
Peter: Ich glaube als Künstler kann ich mich aktuell nicht bezeichnen.

Love me Honey do - Patsy Cline (covered by Lesly's Dynamite)

https://www.paypal.me/leslysdynamite Dyna-fans, (Deutsche Version unten) This year has turned out completely different than any of us expected. For the band, we had planned to tour through out the summer and record our first album later this year, but as you can imagine, with all the shows cancelled, we no longer have the finances coming in to see our little baby grow up. 2020 should have been our year! After the success of our first “isolation” video “Fallin’”, we wanted to make a new one, to say thank you to all of those who have shown their support for our original songs. So without further ado, we present to you our 2nd “isolation” video for your listening and viewing pleasure “Love me honey do”. If you can contribute, even a small amount, we hope we can collect enough money to start recording soon. We can still make something from this corona situation. With your continued support, we can have the record finished, when the venues and festivals open up again. https://www.paypal.me/leslysdynamite ------------------------------------------------------------------------ Dyna-Fans, Dieses Jahr ist völlig anders verlaufen, als jeder von uns erwartet hat. Für die Band hatten wir geplant, den Sommer über zu touren und später in diesem Jahr unser erstes Album aufzunehmen, aber wie ihr euch vorstellen könnt, haben wir nach all den abgesagten Shows nicht mehr die finanziellen Mittel, unser Baby aufwachsen zu sehen. 2020 hätte unser Jahr sein sollen! Nach dem Erfolg unseres ersten Lockdown-Videos "Fallin", haben wir ein weiteres aufgenommen, um uns bei allen zu bedanken, die ihre Unterstützung für unsere Eigenkompositionen gezeigt haben. Hier also unser zweites Lockdown-Video "Love me Honey do" 🙂 Wenn ihr auch nur einen kleinen Beitrag leisten könnt, hoffen wir, dass wir genug Geld sammeln können, um bald mit den Aufnahmen zu beginnen. Wir können noch etwas aus dieser Koronasituation machen. Mit eurer Hilfe können wir das Album fertigstellen, wenn Veranstaltungen und Festivals wieder erlaubt werden. https://www.paypal.me/leslysdynamite

Gepostet von Lesly's Dynamite am Mittwoch, 17. Juni 2020

Was geht einem durch den Kopf, als Euch klar wurde, dass Corona den Live-Betrieb quasi von heute auf morgen einstellen würde? War das ein großer, vielleicht auch existentieller Schock?
Valeska: Ich war zu dem Zeitpunkt mitten in der Cashbags-Tour. Wir sind am 12. März in Langenselbold angekommen und bekamen schon auf der Hinfahrt Anrufe unserer Agentur, dass es sein könnte, dass der letzte der geplanten Gigs eventuell ausfallen würde. Nach der Show kam dann die Nachricht, dass wir am nächsten Tag wieder nach Hause fahren können, denn alle der über 20 Shows wurden abgesagt. Am Anfang realisiert man das ehrlich gesagt noch gar nicht, was da gerade passiert. Von heute auf morgen wurde die Tour beendet. Mit Lesly's Dynamite lief es nicht anders. Der Schock kam dann ein paar Tage später, auch die Angst, dass man finanziell nicht mehr über die Runden kommen könnte.
Markus: „Na, das wird ja mal was. Vielleicht ist das endlich die Gelegenheit mit der die Gesellschaft den Wert an Live-Musik wertschätzen lernen kann, weil Veranstaltungen von groß bis klein nicht stattfinden können.“ Es blieben ja „nur“ die Online-Plattformen.  
Peter: Ich dachte, ich muss mir einen anderen Nebenerwerb suchen. Und dass es ein echter Test für Leslys Dynamite wird. Mir war am Anfang noch nicht klar, dass das Projekt die aktuelle Phase übersteht, und zu 100 Prozent sicher ist das ja auch nicht. Viel hängt von den nächsten acht bis neun Monaten ab. Ich bin aber kein Berufsmusiker, was mich durch die aktuelle Lage noch mehr in dieser Entscheidung bestätigt.

Valeska, bei den Cashbags bist du Teil einer etablierten Band, bei Lesly's Dynamite geht’s gerade erst los. Wie groß sind die Unterschiede in der Krisensituation?
Valeska: Die Cashbags sind ein eingespieltes Team, auf der Bühne verstehen wir uns blind. Seit ein paar Jahren haben wir eine Agentur hinter uns stehen, die uns in Stadthallen in ganz Deutschland bringt. Die abgesagten Konzerte konnten wir in die zweite Jahreshälfte verschieben, alle Tickets behalten also ihre Gültigkeit und die Fans unserer Show haben großes Verständnis für diese noch nie dagewesene Situation und stärken uns den Rücken. Bei Lesly's Dynamite ist das noch nicht so, wir hätten gerne die Zeit genutzt, um zu proben, die ersten Auftritte zu spielen und gemeinsam zu wachsen. Durch den Lockdown wurde uns diese Möglichkeit genommen, was wirklich ärgerlich ist. Im Januar haben wir extra einen Videoproduzenten aus England eingeflogen, um mit ihm vier Musikvideos mit eigenen Songs aufzunehmen. Die ersten beiden wurden vor Corona auf YouTube veröffentlicht, die Resonanz war groß, wir bekamen viele Auftrittsanfragen, sogar aus dem Ausland. Eine Band, die noch nicht so etabliert ist, muss anfangs viel Zeit und auch Geld vorinvestieren, um überhaupt gesehen und wahrgenommen zu werden. Durch die Krise dürfen wir nochmal ganz von vorne anfangen. Hoffen wir mal, dass der Spuk bald ein Ende hat.
Markus: Zum Glück gab es für mich als Musikpädagoge keinen Totalausfall, da ich nicht nur von Live-Konzerten lebe. Für einen Holzbläserworkshop habe ich zumindest die Stornogebühren erhalten. Und hätten so viele Teilnehmer*innen nicht für mich gespendet, hätte ich tatsächlich in die Privatinsolvenz gehen müssen. Der Wegfall einiger Konzerte hatte zudem noch sein Übriges getan. Leider hatten die Vereine bisher keine Möglichkeit, die besprochenen Ausfall-Gagen zu zahlen. Mal sehen, wie es nun, mit der seit dem 29.06. in Kraft getretenen neuen Regelung aussieht.

Als singende und Autoharp spielende June Carter Cash ist Valeska Kunath normalerweise fast das ganze Jahr erfolgreich für die beliebte Band The Cashbags im Einsatz.
Als singende und Autoharp spielende June Carter Cash ist Valeska Kunath normalerweise fast das ganze Jahr erfolgreich für die beliebte Band The Cashbags im Einsatz. © Thomas Baumgärtel/PR

Konnten die Cashbags noch etwas Geld aus den Verträgen retten?
Valeska: Leider nein. Dadurch, dass es in den Verträgen die Klausel „im Falle höherer Gewalt (...)“ gibt, verloren alle Verträge ihre Gültigkeit. Wenn wir ehrlich sind, wir sitzen gerade alle im gleichen Boot. Veranstalter und Bands müssen in so einer Zeit zusammenarbeiten und nicht gegeneinander. Wo es keine Einnahmen gibt, kann auch nichts verteilt werden.

Gab es Hilfen vom Staat oder aus anderen Quellen?
Valeska: Da kann ich jetzt nur für mich sprechen, ich habe bis jetzt noch kein einziges Formular für irgendeine Hilfe ausgefüllt und abgeschickt. Durch den Austausch mit Kollegen bin ich sehr verunsichert. Denn die jetzigen Coronahilfen vom Staat darf man nicht dazu nutzen, um Miete oder Lebensunterhalt zu bezahlen. Ich bin Sängerin, ich arbeite von zu Hause aus, sprich meine Wohnung ist mein Arbeitsplatz. Das zählt aber nicht. Auch in Bezug auf Beantragung der Grundsicherung habe ich von Kollegen nur Negatives mitbekommen. So unbürokratisch, wie die Regierung das alles anpreist, ist es absolut nicht. Ich hoffe, dass die Regierung nachreguliert und ein monatliches Grundeinkommen für Solo-Selbstständige auf den Weg bringt.
Markus: Tatsächlich gab es auch Veranstalter, die, wie oben beschrieben, die vertraglich geregelten Ausfallgagen nicht zu zahlen bereit gewesen sind. Das ist sehr schade. Insbesondere dadurch, dass die Kommunikation auch kein Aufgreifen von neuen Situationen ergab. 
Die Aussicht auf Soforthilfe für bis zu 9.000 Euro erscheint natürlich angenehm. Aber nur, wenn man die entsprechenden Betriebsausgaben vorweisen kann. Dazu sollte aber endlich ein Verständnis da sein, dass die private Nahrung, die Miete und Technik genau diese Betriebsausgaben für eine selbstständige Person sind, die ein Unternehmen abrechnen darf. Selbstständig zu sein heißt ja, dass das Unternehmen man selber ist! Leider ist dieses Verständnis nicht vorhanden. Damit gibt es auch keine Soforthilfe, also keine 9.000 Euro.

Wie seid ihr mit der vielen freien Zeit umgegangen? Üben ohne Ende? (Corona-)Songs schreiben? Neue Hobbys entdecken?
Valeska: Ehrlich gesagt, es war erstmal ein bisschen Erholung angesagt. Mit den Cashbags war ich bereits seit November auf Tour. Danach schwirrte mir der Kopf, man realisiert da auch erstmal, was gerade passiert. Mit Lesly's Dynamite haben wir dann geschaut, was wir im Lockdown so alles umsetzen können und da haben wir angefangen, ein paar Videos aufzunehmen. Natürlich jeder in seinen eigenen vier Wänden, mit dem Handy. Wenn man sich nicht treffen darf, versucht man natürlich andere Wege als Band zu finden, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Zu Hause habe ich mit Yoga angefangen. Über YouTube findet man eine Menge Videos von Leuten, die das können und man macht das dann einfach nach. Sehr entspannend, kann ich nur empfehlen. Und durch die Umstellung auf Online-Unterricht konnte ich auch meine Gesangsstunden wahrnehmen.
Markus: Genau, Bandvideos war das Thema. Und ich habe ein neues Alter-Ego gefunden und nenne es "Markasmus", ebenfalls mit Videoproduktion - hier zu finden. Ansonsten: viel üben, Vorbereitung, Selbstfindung und Stressbewältigung, da die Situation doch auch ein Einschnitt in den vorherigen Alltag war und ist.
Peter: Ich hab mich um meine psychische und physische Gesundheit gekümmert. Durch Studium und Nebenjob als SHK hatte ich eigentlich kaum freie Zeit. Ich hab also auch keine neuen Projekte begonnen. Die soziale Distanz und mein Lebensstil sind erstaunlich kompatibel.

Wie sieht es aktuell mit der Konzertplanung aus?
Valeska: So langsam geht es wieder los, für nächstes Jahr konnten wir schon ein paar Auftritte generieren. Viele Veranstalter haben natürlich die Planung erstmal auf Eis gelegt, man kann einfach noch nicht wirklich sagen, wann alles wieder seinen gewohnten Gang gehen kann. Es gibt auch viele, die nicht wissen, ob sie überhaupt durch diese Krise kommen. Das ist ja das nächste, wenn man mal überlegt: Seit März dürfen wir Musiker nicht mehr auftreten. Durch die Ungewissheit ist es sehr schwierig, irgendwas zu planen. Man verschiebt Termine, nur um dann festzustellen, dass man immer noch nicht, oder nur unter irgendwelchen Auflagen, veranstalten darf. 
Markus: Wir reagieren entsprechend der stets neuen Lockerungen oder Beschränkungen. Das Buchen von Auftritten kostet Zeit. Der nächste Termin ist für den 10. Oktober 2020 geplant.

Die Johnny Cash-Tributeband The Cashbags in ihren besten Momenten: Die Fans müssen sich noch eine Weile gedulden, bis die Musik des legendären "Man in Black" wieder live erklingen wird.
Die Johnny Cash-Tributeband The Cashbags in ihren besten Momenten: Die Fans müssen sich noch eine Weile gedulden, bis die Musik des legendären "Man in Black" wieder live erklingen wird. © PR

Tauscht ihr euch mit anderen betroffenen Künstlern aus? Auf welche Weise?
Valeska: Na klar! Vor Ewigkeiten hatte ich mich bei Skype registriert, diesen Account habe ich wieder aktiviert und bin so mit Freunden und Kollegen per Video in Verbindung getreten. Anfang diesen Jahres habe ich einen Musikerinnen-Stammtisch ins Leben gerufen, dieses „Treffen“ haben wir virtuell über Skype abgehalten, da fand reger Austausch über die Situation statt.

Seht ihr optimistisch in die Zukunft? Was denkt ihr, wie sich die nächsten Monate entwickeln könnten?
Valeska: Schwierig zu sagen. Ich versuche optimistisch zu sein, es wird ja zunehmend gelockert, aber die Angst vor einer zweiten Ansteckungswelle, und ein daraus resultierender zweiter Lockdown, ist ja weiterhin da. Ganz optimistisch betrachtet: Im November könnte es wieder losgehen, wenn sich alle an die Empfehlungen der Regierung halten und Rücksicht genommen wird.
Markus: Wirkliche Wertschätzung für Live-Musik bräuchte wahrscheinlich noch eine deutlich längere Phase des „Nicht-Konsumieren-Dürfens“. Ein bisschen ist es aber schon gewachsen. Es bleibt aber weiterhin eine wichtige Aufgabe für diese zu sorgen. Der Durst der Gesellschaft nach Live-Kultur wächst aber. Straßenmusik wird wahrscheinlich serh gefragt sein. Vielleicht kommt ja auch noch ein Hilfspaket in Höhe mehrerer Millionen Euro für die deutsche Kulturbranche. So, wie man ein deutsches Luftfahrtunternehmen unterstützt, wäre solch eine Summe, auf alle Kulturschaffenden Deutschlands verteilt, wohl auch eine enorme Hilfe und längst überfällige Wertschätzung.
Peter: Ich bin nicht gerade optimistisch, was die Zukunft angeht. Diese Krise werden wir meistern können, und die Chancen stehen gut, dass es auch mit der Band weitergeht. Aber insgesamt scheint unsere Gesellschaft nicht belastbar. Alle Probleme, die es gibt, auf eine Weise zu behandeln, dass alles gut wird - Klimawandel, Populismus, Ungleichverteilung von Lebenschancen etc.

AKTUELLE LIVE-TERMINE
Valeska Kunath spielt mit ihrer Band Lesly's Dynamite am 5. Juli, 16 Uhr bei Kultur am Pavillon, unterhalb der Albertbrücke Dresden sowie aktuell voraussichtlich am 10. Oktober beim Festival "Rock im Herbst" in Feldschlösschen, u.a. mit Knorkator.