Besuch beim... TanzNetzDresden

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

Susan Schubert (links) und Cindy Hammer leben von ihrer Kunst - dem Tanz.
Susan Schubert (links) und Cindy Hammer leben von ihrer Kunst - dem Tanz. © Stephan Tautz

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Am 16. November 2020: Susan Schubert und Cindy Hammer, Tänzerinnen, Choreographinnen und Gründungsmitglieder vom „TanzNetzDresden“ - einem Netzwerk der freien Tanzszene Dresden, das bereits seit 2010 arbeitet und sich Anfang März 2020 - just zwei Wochen vor dem ersten Lockdown - als gemeinnütziger Verein mit inzwischen 40 Mitgliedern neu organisiert hat.

Kreative Phase bei den Tänzerinnen und Choreographinnen der "Go Plastic Company".
Kreative Phase bei den Tänzerinnen und Choreographinnen der "Go Plastic Company". © Stephan Tautz

Zweiter Lockdown – also alles wie im Frühjahr?
Leider fühlt es sich schon sehr so an wie im Frühjahr. Es gibt kein direktes Arbeitsverbot, aber viele Bereiche unserer Arbeit sind verboten: Training, Auftritte, Reisen für Projekte und Produktionen – das sind massive Einschränkungen. Dazu kommt: Im Frühjahr hat man es irgendwie ausgehalten, hat auch stillgehalten, jetzt machen sich großer Frust und eine große Müdigkeit breit.

Was ist jetzt anders?
Jetzt sind wir besser aufgestellt, auch mit Alternativen. Was aber noch schräger ist als damals ist die Ungewissheit. Im Sommer haben wir das Frühjahr nachgeholt, statt Urlaub zu machen. Im September hatten wir ein Stück Normalität zurück. Da fühlt sich das jetzt wie ein Rückschritt an. Auf einmal ist alles wieder weg – da bleibt die Motivation auf der Strecke.

Das hört sich wenig hoffnungsvoll an.
Wir sind Macher:innen und Gestalter:innen, unser Job ist es eigentlich zu agieren, stattdessen reagieren wir seit Monaten immer nur, kommen aus diesem Modus gar nicht mehr raus. Da ist der Akku irgendwann alle.

Hilft den Tänzer:innen wenigstens die angekündigte Unterstützung von 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019?
Das ist zumindest mal ein anderer Ansatz als im Frühjahr. Für Solo-Selbständige wie uns ist das enorm wichtig. Viele haben sich in mehreren Bereichen aufgestellt, um ausweichen zu können, wenn mal irgendwo was wegbricht. Doch nun ist alles weggebrochen, nichts ist möglich. Dabei ist das mit dem November des Vorjahrs als Berechnungsbasis ein heikles Unterfangen. Viel besser fänden wir, wenn Solo-Selbständige in dieser Situation ein bedingungsloses Grundeinkommen bekämen.

Geld für Projekte war aber da, oder?
Für unsere Projekte hat das mit den Fördergeldern 2020 gut geklappt. Der Haken ist, die Gelder müssen verbraucht werden, mit denen lässt sich weder investieren, noch lassen sie sich aufsparen. Sie sind am Ende des Projekts alle. Und wir wissen jetzt schon, dass das Geld im nächsten Jahr weniger wird. Die Kürzungen fürs TanzNetzDresden sind angekündigt, das wird dann lebensrelevant für uns. Wir haben vom Kulturamt der Stadt Dresden gerade eine hohe Wertschätzung für unsere Arbeit erfahren. Das freut uns sehr. Nichtsdestotrotz liegt die Kürzung auf dem Tisch.

Was geht dann verloren?
Wir denken, dass wir als Freie Szene einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft schaffen. Wir eröffnen mit Projekten vielen Dresdner:innen den Zugang zu zeitgenössischem Tanz. Mit unserem Veranstaltungsformat „POP UP“ sind wir eben nicht nur in den Theatern zu sehen, sondern auch vor dem Supermarkt in Prohlis, in der Landesbibliothek, im Hotel, in Clubs, auf der Hauptstraße. Es geht um dezentrales Agieren. Sechs dieser Formate waren dieses Jahr geplant, zwei haben stattgefunden, drei sind noch in der Schwebe.

Was macht euch Hoffnung?
Der intensive Austausch miteinander. Wir stehen momentan gefühlt alle auf derselben Seite. Es ist eine Zeit der Empathie und Solidarität. Wir werden alle sensibilisiert für verschiedene Lebensrealitäten. Wir lernen Verständnis für Gesundheitsamtler:innen, Lehrer:innen, Gastronomen:innen, Virolog:innen. Darin steckt ein unglaubliches Potenzial.

Wartet auf eure Zuschauer in der Adventszeit eine Überraschung?
Es wäre für uns selbst eine echte Überraschung, wenn das geplante „Pop Up the Party (AT)“ // Alba Alvarez & Charles Washington //" im Objekt Klein a im Dezember tatsächlich stattfinden kann.

Und was erwartet ihr von 2021?
Das Paradies. Nein, im Ernst: Dass wir alle mehr differenzieren, uns mehr zuhören, Dinge anhand vom wirklichen Bedarf miteinander entwickeln – zum Beispiel über Förderprogramme mit den Akteur:innen gemeinsam nachdenken. Alle müssen ihren Standard überprüfen, ihre Komfortzonen verlassen – wir selbst eingeschlossen. 

Gespräch: Frank Treue

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Vor acht Monaten im ersten Lockdown sprachen wir mit den beiden nicht, aber mit vielen anderen Veranstaltern und Künstlern. Hier die komplette Reihe:

Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise