Besuch bei... John Jaeschke in der Sachsenarena Riesa

Kultur im zweiten Lockdown – wie geht´s weiter? Augusto fragt Veranstalter und Künstler, wie sie mit der neuen Lage umgehen.

John Jaeschke erlebt mit der Sachsenarena ein schwarzes Jahr.
John Jaeschke erlebt mit der Sachsenarena ein schwarzes Jahr. © Fotodesign Falko Müller

Alles auf Anfang, Kulturstätten zu, Veranstaltungen abgesagt, Stille auf den Bühnen und in den Sälen. Alles auf Anfang? Mitnichten. Die Lage ist eine andere als im März und April. Damals herrschte zumindest anfangs weitgehende Einigkeit unter Veranstaltern und Künstlern, dass das Opfer ein notwendiges ist. Das ist in diesem tristesten November aller Zeiten nicht mehr so. Augusto hat vor acht Monaten Gespräche mit 35 Veranstaltern und Künstlern geführt. Wir knüpfen daran an und fragen erneut nach dem Umgang mit dem Stillstand im Kulturbetrieb – und natürlich nach der Zukunft. Anfang November 2020: John Jaeschke, Geschäftsführer der Sachsenarena Riesa.

Herr Jaeschke, das jüngste Demoplakat spricht von „Sachsen bald ohne Arena?!“ Müssen sich die Riesaer Sorgen um die Existenz ihrer Arena als Veranstaltungsort machen?
Wir haben bewusst ein Frage- und Ausrufezeichen dahinter gesetzt. Uns war klar, dass es Aufmerksamkeit erzielen wird, und genau das soll, ja, das muss es auch! Die gesamte Veranstaltungsbranche befindet sich inzwischen in einer dramatischen Lage und benötigt zwingend Unterstützung der Politik. Genau darum ging es auch auf der Demo in Berlin. Klar ist: Nur in einem vernünftigen Veranstaltungsmarkt funktioniert auch unsere Sachsenarena.

Ende Oktober gab es – mit Hygieneauflagen – die International Darts Open in der Riesaer Arena. Inwieweit war das eine Rückkehr zur Normalität?
Bei einem Zehntel der Zuschauer gegenüber dem Niveau der Vorjahre kann man nicht von Normalität sprechen. Ich bin der PDC Europe (dem Veranstalter, Anm. d. Red.) sehr dankbar, dass Sie auch in diesen schweren Zeiten Präsenz bei uns in Riesa gezeigt haben. Aber genau wie wir, brauchen auch sie Veranstaltungen, die auf Gewinnerzielung hinauslaufen. Davon sind wir gerade meilenweit entfernt.

Im Spätsommer hatte sich die Veranstaltungsbranche Erkenntnisse aus dem Leipziger Tim-Bendzko-Konzert für größere Veranstaltungen unter Pandemiebedingungen erhofft. Gab es die?
Die Studie ist gerade rausgekommen. Ganz wichtige Erkenntnisse sind unter anderem, dass die Gesamtzahl der mehrere Minuten lang kritischen Kontakte bei Veranstaltungen nicht sehr hoch ist und somit durch Hygienekonzepte erheblich reduziert wird. Ein Fokus muss auf die Einlass- und Pausen-Situation gelegt werden, da dort die Kontaktanzahl am höchsten ist. Was ich auch für sehr wichtig erachte: Mehr als 90 Prozent der Befragten fanden es nicht schlimm, eine Maske zu tragen und wären wieder dazu bereit, um eine Veranstaltung zu besuchen. Wenn Hygienekonzepte eingehalten werden, sind die zusätzlichen Auswirkungen auf die Pandemie gering bis sehr gering! Genau darauf achten wir bei unseren Veranstaltungen in Riesa.

Geben Sie Außenstehenden bitte einen Einblick: Wie sehr unterscheidet sich die Arbeit der FVG in diesem Jahr im Gegensatz zu „normalen“ Jahren?
Wir hatten bis März eine wirklich gute Entwicklung. Dann kam die Vollbremsung, und seitdem beschäftige ich mich fast ausschließlich mit Krisenmanagement. Wir haben kaum Einnahmen, aber jeden Monat Fixkosten in erheblicher Höhe. Man muss kein Ökonom sein, um sich vorzustellen, was das heißt. Die Verantwortung für die Menschen, die hier seit vielen Jahren einen guten Job machen, ist groß. Die große Unbekannte ist sicher der unklare Pandemieverlauf und damit die fehlende Planungssicherheit – dennoch glaube ich, dass es uns möglich gemacht werden muss, dass wir Wiedereröffnungskonzepte umsetzen dürfen.

Wie viele Mitarbeiter befinden sich bei der FVG in Kurzarbeit?
Während in unseren ideellen Bereichen im Tierpark, Museum und der Bibliothek schon kurz nach dem ersten Lockdown wieder nahezu Vollbeschäftigung herrschte, sieht es beim Team der Stadthalle und in der Sachsenarena deutlich differenzierter aus. Wir haben die Kurzarbeit in den letzten Monaten zwar ein Stück weit reduzieren können, da die Arbeit zum Beispiel für Veranstaltungsverschiebungen, Neuakquise oder Abstimmungen mit den Behörden trotzdem angefallen ist. Dennoch arbeitet kaum jemand in Vollzeit. Das tut jedem Mitarbeiter im Geldbeutel richtig weh. Und was jetzt in Berlin verabschiedet wurde, trifft auch wieder unsere Branche mit am härtesten. Was unser Umfeld an Partnern und Dienstleistern betrifft, wissen wir, dass auch diese gehörig leiden und zu kämpfen haben. 

Die Corona-Regeln für Novmeber - bewerten Sie die?
Ich bin kein Virologe, und ich unterstelle der Politik auch keine Leichtfertigkeit. Aber ich kann keine langfristige Strategie feststellen. Sollen Lockdowns mit diesem volkswirtschaftlichen Wahnsinn die immer wiederkehrende Antwort sein? Für die Veranstaltungsbranche sind diese Entscheidungen ein weiterer schwerer Schlag. Auch wir hier in Riesa werden noch lange Zeit mit den Auswirkungen zu kämpfen haben.

Was erwarten Sie jetzt konkret von den Verantwortlichen in der Politik?
Ich erwarte, dass man uns als Veranstaltungsbranche ganz klar unterstützt! Für die Luftfahrtindustrie wurde binnen drei Wochen ein Milliardenprogramm verabschiedet. Unser Sektor hat nach über sieben Monaten noch immer keine konkreten Unterstützungsangebote erhalten, die das Wort „ausreichend“ verdienen. Der Kernumsatz in unserer Branche liegt bei circa 130 Milliarden Euro. Über eine Million Arbeitsplätze sind bedroht. Wir brauchen unter anderem ein Überbrückungsprogramm für alle. Die Mittel müssen verwendbar sein für alle nachweisbaren Kostenarten, wie zum Beispiel 80 Prozent der uns entstandenen und entstehenden Fixkosten. Ebenso benötigen wir eine Flexibilisierung der Kurzarbeiterregelung.

Gespräch: Eric Weser.

Alle aktuellen Interviews dieser Reihe finden Sie hier:

Besuch bei...Veranstaltern und Künstlern im zweiten Lockdown

Vor acht Monaten im ersten Lockdown sprachen wir schon einmal mit John Jaeschke. Hier das damalige Interview:

Anruf bei... John Jaeschke am 23. März 2020

Damals sprachen wir mit noch vielen weiteren Veranstaltern und Künstlern. Hier die komplette Reihe:

Anruf bei Veranstaltern, Künstlern und Gastronomen in der Corona-Krise